Hinweise zur zoologischen Nomenklatur: „Lestes“ (gr.) = Räuber. Wegen der räuberischen Lebensweise der Imagines und ihrer Larven. „barbarus“ = Die Art wurde erstmalig in Nordwestafrika gefunden, in einer Gegend, die bis in das letzte Jahrhundert für ihre „Barbarei“ bekannt war. Dieser Name leitet sich von der europäischen Bezeichnung der heute dort lebenden Stämme den „Berbern“ ab. „barbarus“ (gr.) = fremdländisch, unzivilisiert.
Die Südliche Binsenjungfer ist ein mediterranes Faunenelement, worauf ihr deutscher Artname schon schließen lässt. Mit etwa 4,5 Zentimetern Körperlänge und einer Flügelspannweite von ca. 5,0 Zentimetern ist sie geringfügig größer als ihre Verwandten die Gemeine Binsenjungfer, Lestes sponsa, oder die Glänzende Binsenjungfer, Lestes dryas.
Die Unterseite des Hinterkopfes ist, ähnlich wie bei der Kleinen Binsenjungfer, Lestes virens, scharf abgegrenzt und erscheint hellgelb. Auf der Oberseite des Thorax sind breite Antehumeralstreifen vorhanden. Die beiden letzten Hinterleibssegmente sind bei den Männchen an den Seiten elfenbeinfarbig. Die Hinterleibsanhänge (Cerci) sind hell.
Die Weibchen weisen einen ebenfalls hellen Eilegeapparat (Ovipositor) auf.
Die Art zeigt keinen Sexualdimorphismus, sodass die Männchen als auch die Weibchen gleichsam gefärbt sind. Die weiblichen Imagines sind außer durch ihre Hinterleibsanhänge auch noch durch ihr kräftiger gebautes Abdomen von anderen Teichjungfernarten wie zum Beispiel der Kleinen Binsenjungfer, Lestes virens, zu unterscheiden.
Ein sicheres Bestimmungsmerkmal sind die zweifarbigen Flügelmale (Pterostigmata), welche innen beigefarben und außen heller, fast weißlich erscheinen.
Lestes barbarus ist eine sporadisch auftretende Wanderlibellenart und eigentlich in den südlichen Ländern Europas beheimatet. Ihr Gesamtverbreitungsgebiet reicht vom Maghreb und dem spanischen Festland bis in die Mongolei. In Europa hat sie sich in den letzten Jahren bis zur Nord- und Ostseeküste ausgebreitet. Seit Kurzem gibt es Nachweise von der Südküste Englands und aus Südskandinavien.
Bedingt durch ihre Wanderfreudigkeit kann die Art gebietsweise plötzlich auftauchen und individuell relativ zahlreich auftreten. Andererseits kann sie jedoch auch schnell wieder verschwinden. Ihr unstetes Verhalten auf der einen und die Bildung einer bodenständigen Population auf der anderen Seite sind davon abhängig, ob für die Art geeignete Entwicklungsgewässer vorhanden sind, deren Wasserstand von der jährlichen Niederschlagsmenge bestimmt wird.
Die Südliche Binsenjungfer ist eine Teichjungfernart, die nicht selten als Einzeltier in Biotopen auftritt, die sich nicht zur Fortpflanzung eignen. Dies sind zum Beispiel Feuchtwiesen und Brachflächen im Flachland.
Der bevorzugte Lebensraum besteht aus stehenden Gewässern mit reichlichem Binsenbewuchs an den Ufer- und Verlandungszonen. Hierzu zählen Flachwasserteiche mit wechselndem Wasserstand, Baggerweiher in Kies- und Sandgruben sowie regenwassergespeiste Tümpel mit niederer Ufervegetation, die auch, jahreszeitlich bedingt, trocken fallen können.
Lestes barbarus zeigt somit einen gewissen Hang zur Besiedelung von Pioniergewässern, ähnlich wie die Kleine Pechlibelle, Ischnura pumilio, oder der Plattbauch, Libellula depressa.
Die Fortpflanzungshabitate sollten auf jeden Fall ganztägig besonnt und die Uferbereiche nicht zu tief sein, sodass sich das Wasser rasch erwärmen kann.
Nach dem Schlüpfen halten sich die jungen Imagines zunächst noch am angestammten Entwicklungsgewässer auf. Wenig später verbringen sie ihre Reifezeit mit der Jagd nach kleinen Insekten in der weiteren Umgebung, wobei sie sich bis zu einem Kilometer vom Wasser entfernen. Die Hauptflugzeit erstreckt sich in Mitteleuropa von etwa Mitte Juli bis Mitte September. Während dieser Zeit kehren viele nun geschlechtsreife Tiere zu ihrem Brutgewässer zurück. Dort warten die Männchen auf einfliegende paarungswillige Weibchen.
Andere Individuen wiederum wandern ab und suchen nach geeigneten Habitaten um neue Populationen zu gründen. Der größte Teil der Tiere verhält sich jedoch relativ ortstreu.
Die am Wasser eintreffenden Weibchen werden von den Männchen augenblicklich ergriffen. Nach dem Ankoppeln des Männchens an seine Partnerin sitzt das Pärchen als Tandem zunächst einige Zeit regungslos in der Vegetation. (Siehe oben) Die wenig später erfolgende eigentliche Paarung ist von unterschiedlicher Dauer und kann zwischen 4 und 45 Minuten andauern. Zwischenzeitlich kann die Verkoppelung mehrfach gelöst werden.
Zuvor überträgt das Männchen mit dem angekoppelten Weibchen sein Sperma zum eigentlichen Kopulationsorgan. Unmittelbar danach erfolgt die Kopulation im klassischen Paarungsrad.
Nach der Paarung erfolgt sie Eiablage in der Tandemformation. Auf diese Weise sichert das Männchen seine eigene Nachkommenschaft. Ist die Männchendichte am Eiablageort gering, kann es sein, dass das Männchen alsbald erneut auf Weibchensuche geht, während sein begattetes Weibchen die Eiablage alleine fortsetzt.
Lestes barbarus taucht bei der Eiablage nicht unter Wasser. Die Eier werden vorzugsweise von den Weibchen in weiche, vertikale Pflanzenteile wie Binsen und Seggen eingestochen. Diese Gewächse können auch über trockenem Boden stehen, da das Gebiet im kommenden Frühjahr wieder überflutet wird. Pro Einstich in eine Pflanze wird immer nur ein einziges Ei platziert. Ein Weibchen kann so pro Tag bis an die 200 Eier, über 4 Stunden verteilt, deponieren. Danach erfolgt eine Ruhephase, in der weitere Eier produziert werden.
Die Südliche Binsenjungfer gilt in Deutschland gemäß der Roten Liste für bedrohte Tierarten als derzeit ungefährdet. Dennoch kommt sie in der Bundesrepublik nur inselartig vor. Der Grund für die Seltenheit der Art liegt offensichtlich in dem Mangel an geeigneten Entwicklungsgewässern begründet.
Vorzeitiges Austrocknen von Flachwasserzonen durch künstliche Veränderungen des Grundwasserspiegels führen binnen kurzer Zeit zum Erlöschen ganzer Populationen. Eine frühzeitige Mahd von Wildwiesen während der Paarungszeit bewirkt den gleichen Effekt.
Dort wo die Art als bodenständig nachgewiesen wurde, können Schutzmaßnahmen, wie die Erhaltung von Regenwasser gespeisten Tümpeln und Flachgewässer unter Rücksichtnahme auf den Grundwasserspiegel probate Mittel sein, um eine Population zu erhalten. Ein Trockenfallen des Habitats über den Winter schadet Lestes barbarus dabei nicht.