Die zoologische Bezeichnung „Orthetrum“ kommt von „orthos“ (gr.) = gerade und êtron (gr.) = Unterleib. Vermutlich wird hier beim Genus „Orthetrum“ auf die parallelen Hinterleibsseiten verwiesen. „brunneum“ (neulat.) = braun. Fonscolombe beschrieb die Art nach den bräunlich gefärbten Jungtieren. Die vollständig blau gefärbten Männchen hielt er für eine andere Art. Der deutsche Artname bezieht sich auf das vorwiegend südeuropäische Verbreitungsgebiet.
Orthetrum brunneum, der zur Familie der Segellibellen zählt, kommt in unseren Regionen seit den letzten Jahren häufiger vor. Die 4,5 bis 5 Zentimeter große Libelle weist eine Flügelspannweite von bis zu 6,5 Zentimetern auf und liegt damit im Bereich des Kleinen Blaupfeiles, Orthetrum coerulescens. Die jungen Imagines sind von beige-brauner Farbe. Auffälligstes Merkmal der erwachsenen Männchen ist der von vorne bis hinten durchlaufende hellblaue Farbton. Männliche Jungtiere können allerdings leicht mit dem Kleinen Blaupfeil verwechselt werden, der jedoch etwas zierlicher wirkt. Die Augen der erwachsenen Männchen sind blau, die Stirn ist beinahe weiß. Die Hinterflügel des Südlichen Blaupfeiles weisen meist mehr als drei Zellverdoppelungen zwischen der Radiusschaltader und dem untersten Radiusseitenast auf. Die Flügelmale (Pterostigmata) sind rotbraun.
Zunächst Folgen einige Momentaufnahmen vom Schlupf eines Weibchens in einer Diashow:
Nachstehend ist die originale und unpräparierte Exuvie, des schlüpfenden Weibchens in der Bildleiste oben zu sehen. Sie ist 18 Millimeter lang und weist auf dem Rücken sowie an den Seiten keine Bedornung auf.
Die folgenden Bilder zeigen Weibchen des Südlichen Blaupfeils frisch geschlüpft und anschließend in verschiedenen Altersstufen.
Die Weibchen sind als Jungtiere von gleicher Farbe wie die Männchen. Bis zu ihrer Reife, die 10 bis 15 Tage dauert, färben sie sich braun-beige. Junge Weibchen weisen an der Thoraxseite helle Seitenbinden auf. Auf der Oberseite des Abdomens zieht sich mittig eine dünne schwarze Linie von oben nach unten durch. Auf den Segmenten S-4 bis S-8 befinden sich beidseitig kurze horizontale schwarze Flecken die fast wie Punkte wirken und die Mittellinie nicht berühren. Im Alter färbt sich das Braun der Weibchen dunkel.
Die Bildreihe unten zeigt zunächst Aufnahmen von frisch geschlüpften Männchen des Südlichen Blaupfeiles und danach in verschiedenen Altersstufen.
Die Art zeigt eine Vorliebe für offene Lehmböden und liebt niedere Vegetation und langsam fließende, flache Gewässer, wie Wiesenbäche und Kanäle. Orthetrum brunneum ist typisch für kleine bis kleinste Quellnahe Rinnsale und wird daher oft als „Quellart“ bezeichnet. Kleinere Niedermoore mit flachen Abflüssen werden ebenfalls besiedelt. In zeitgenössischer Literatur wurden bisher eher sandige Kiesgruben als Lebensraum angegeben. Im Laufe der Zeit hat der Südliche Blaupfeil seine Habitatansprüche auf ein relativ breites Spektrum erweitert und ist scheinbar anspruchsloser geworden.
Derartige Habitate wie dieses flache, durch Totholz breit gefächerte und stellenweise vom Schilf befreite Fließgewässer zieht den Südlichen Blaupfeil regelrecht an. Hier beweist die Art in Vergesellschaftung mit der Kleinen Pechlibelle, Ischnura pumilio, seine Pioniereigenschaften für neu zu besiedelnde Lebensräume. Um die Population von Orthetrum brunneum aufrecht zu erhalten, sind regelmäßige Schutz- und Pflegemaßnahmen, wie das Zurückschneiden dichter und hoher Schilfbestände im Biotop erforderlich.
Die Männchen des Südlichen Blaupfeiles sind sehr schnelle und ausdauernde Flieger, die sich nur sehr kurz niedersetzen. Darüber hinaus gelten sie als sehr scheu und weisen gegenüber Fotografen und Beobachtern eine sehr hohe Fluchtdistanz auf. Die Männchen sind ab dem späten Vormittag bis zum frühen Nachmittag am Gewässer aktiv. Die Tagesaktivität der sehr wärmebedürftigen Art hängt sehr stark von den Temperaturen und der Besonnung des Habitats ab. Bereits kleine Wolken, die einen Schatten auf das Habitat werfen, beeinträchtigt ihre Flugtätigkeit. So erreicht der Südliche Blaupfeil an heißen Sommertagen um die Mittagszeit sein Aktivitätsmaximum.
Zu dieser Zeit kommen auch die paarungsbereiten Weibchen ans Gewässer. Sie sind im Allgemeinen weniger flugfreudig als die Männchen und sitzen oft gut getarnt im Gras. Ein umherfliegendes Weibchen wird vom Männchen sofort zu Paarungszwecken ergriffen. Bei der Kopulation sitzt das Paar zumeist auf dem Boden oder seltener horizontal oder schräg auf halbhoher Vegetation. Sie dauert nur wenige Sekunden bis maximal 4,5 Minuten. Nach der Trennung bleibt das Weibchen noch einige Augenblicke am Paarungsort sitzen und beginnt dann erst mit der Eiablage. Sitzt das Weibchen zu lange, wird es vom Männchen in kleinen Kreisen umflogen und zur Eiablage aufgefordert.
Paarungen und Eiablagen können bis in den frühen Nachmittag, etwa bis 15.00h beobachtet werden. Bei einer hohen Individuendichte oder einem Überschuss an männlichen Tieren kommt es während dieser Stunden oft zu chaotischen Verhältnissen. Eierlegende und von den Männchen strengsten bewachte Weibchen werden mehrfach von unverpaarten Rivalen gestört und zur erneuten Paarung ergriffen. Das „rechtmäßige“ Männchen versucht während der Eiablage „seines“ Weibchens die Rivalen in kurzen Luftkämpfen zu vertreiben. Dabei kann es passieren, dass es das Weibchen aus den Augen und somit an einen dritten Rivalen verliert.
Die Eier werden in dem für Segellibellen typischen Flug durch wippende Auf und Abbewegungen ins Wasser abgeworfen. Die Eier sind mit 0,3 bis 0,5 Millimeter sehr klein und von einer klebrigen Gallerthülle umgeben, die sie an der Vegetation im Wasser festhalten, damit sie im Fließgewässer nicht abdriften können. Über die Lebensweise der Larven ist kaum etwas bekannt. Die Embryonalentwicklung wir auf 4 bis 5 Wochen und die larvale Entwicklungszeit bis zur Imaginalhäutung auf 2 Jahre geschätzt.
Wie alle Libellen erbeutet auch der Südliche Blaupfeil in der Regel seine Nahrung, die aus Fliegen, Mücken, kleinen Schmetterlingen und ähnlichen Beutetieren besteht, im Flug. Angesichts eines derart großen Blattlausbestandes am einem Schilfgewächs, ist die Jagd weniger kräftezehrend und braucht bloß „abgepflückt“ zu werden.
Orthetrum brunneum wird in der Roten Liste für bedrohte Tierarten in der Stufe 2 = „Stark gefährdet“ geführt. In einigen Bundesländern wurde die Gefährdungsstufe auf 1 = „Vom Aussterben bedroht“ erhöht. Die Flugzeit des Südlichen Blaupfeils beginnt witterungsabhängig Mitte Juni und endet Ende August.