Kleiner Blaupfeil

Orthetrum coerulescens

FABRICIUS, 1798

 

Informationen zur Nomenklatur: Die zoologische Bezeichnung „Orthetrum“ kommt von „orthos“ (gr.) = gerade und êtron (gr.) = Unterleib. Vermutlich wird hier beim Genus „Orthetrum“ auf die parallelen Hinterleibsseiten verwiesen. „coerulescens“ kommt von „caeruleus“ (lat.) = himmelblau. Dies ist als „während der Reife blau werdend“ zu deuten. Der deutsche Artname nimmt Bezug auf die kleinste Blaupfeilart in Mitteleuropa.

 

Orthetrum coerulescens erreicht eine Körperlänge von 3,6 bis 4,5 Zentimetern und eine Flügelspannweite von bis zu 6,5 Zentimetern. Nach ihrer Imaginalhäutung sind beide Geschlechter von bräunlich gelber Färbung. Bei den Männchen können dunkle Varianten, die sich bei den Jungtieren durch breite schwarze Flecken und Linien auf der Oberseite des Abdomens von anderen juvenilen Tieren unterscheiden, vorkommen. Die Augen der Jungtiere sind braun-beige. Nach ihrer Reifezeit von etwa 10 Tagen haben die Weibchen ihre bräunlich gelbe Färbung weitestgehend beibehalten, während dich bei den Männchen eine hellblaue Wachsbereifung gebildet hat. Der Thorax der Männchen ist im Regelfall braun. Abweichungen, die einen ebenfalls blau bereiften Thorax aufweisen kommen vor. In diesen Fällen kann der Kleine Blaupfeil sehr leicht mit dem Südlichen Blaupfeil, Orthetrum brunneum, verwechselt werden, zumal dann, wenn beide Arten in einem Habitat vergesellschaftet leben, was häufig der Fall ist. Im ausgefärbten Stadium sind die Augen der Männchen bläulich, die der Weibchen gräulich grün. Die Flügelmale färben sich bis zum Erreichen der Geschlechtsreife orange.

 

In einigen Habitaten wie Mooren und an Wiesenbächen wächst unter anderem der rundblätterige Sonnentau, Drosera rotundifolia, der unvorsichtigen Exemplaren zum Verhängnis werden kann.

 

Kleiner Blaupfeil, Orthetrum coerulescens, als Opfer des Sonnentaus.
Kleiner Blaupfeil, Orthetrum coerulescens, als Opfer des Sonnentaus.

 

Die Aufnahmen unten zeigen Jungtiere im direkten Vergleich der Geschlechter zueinander.

 

 

Die folgende Bildtafel zeigt einige Weibchen des Kleinen Blaupfeils, Orthetrum coerulescens.

 

 

 

 

Der Kleine Blaupfeil besiedelt grundwasserbeeinflusste oder quellnahe, langsam fließende Gewässer. Er fliegt an Wiesenbächen und Gräben, sowie an flachgründigen Rinnsalen und Tümpeln, die von Hangdruckwasser gespeist werden. Weitere Lebensräume sind Teich- und Seeabflüsse sowie kleinere, rinsalartige Abflüsse aus Niedermooren, Torfstiche, spärlich bewachsene Heidemoore und Marschgräben. Kiesgruben werden höchst selten besiedelt.

 

 

Die Flugsaison von Orthetrum coerulescens beginnt etwa Mitte Juni. Bei entsprechender Witterung können die ersten Tiere auch schon Ende Mai schlüpfen. Nach dem Schlupf entfernen sich die Jungtiere zunächst vom Gewässer um im weiten Umfeld zu jagen und heranzureifen. Als erwachsene Tiere kann man sie bei sonnigem Wetter ab 9.30h in ihren Habitaten beobachten. Hier besetzen die Männchen Ansitzwarten in meist niederer Vegetation, die das Zentrum Ihrer Reviere bilden. Dabei klappen sie in Ruhestellung ihre Flügel nach vorne.

 

Männchen des Kleinen Blaupfeils in unterschiedlichen Altersstufen und Varianten:

 

 

Fliegt ein Artgenosse oder ein artfremdes Tier in das Revier ein, startet der Besitzer augenblicklich einen Angriff, um den Eindringling zu vertreiben und kehrt dann wieder zu seinem Ansitz zurück. Die Aktivität der Tiere erreicht um die Mittagszeit ihr Maximum, wenn sich die Weibchen zwischen 12.00h uns 13.00h MESZ am Wasser einfinden. Die Männchen fliegen dann sehr unruhig umher und ergreifen die Weibchen zu Paarungszwecken. Die Paarung vollzieht sich relativ rasch, sodass sie oft während des Fluges im Paarungsrad vollzogen wird.

 

 

 

Ein ruhendes Pärchen nach der Kopula. Beachte die Tarnung des Weibchens oben links.
Ein ruhendes Pärchen nach der Kopula. Beachte die Tarnung des Weibchens oben links.
Ein Männchen des Kleinen Blaupfeils bewacht sein Weibchen während der Eiablage im Flug.
Ein Männchen des Kleinen Blaupfeils bewacht sein Weibchen während der Eiablage im Flug.

 

Manche Paarungsräder landen zumeist auf dem Boden, wo sie noch etwa 2 Minuten lang kopulieren. Nach der Paarung trennt sich das Pärchen um noch eine Weile in der Vegetation zu ruhen. In der Regel geht das Weibchen dann nach einigen Minuten zur Eiablage über, während der es vom Männchen akribisch im Rüttelflug bewacht wird.

 

Bei einer zu hohen Männchendichte wird das Weibchen durch andere Männchen oft gestört. Das „reguläre“ Männchen ist dann überfordert, da es nicht alle Rivalen verjagen kann. Kommt es zu derartigen Situationen, verlässt das Weibchen das Eiablagehabitat und fliegt landeinwärts, wohin ihm die Männchen nicht folgen. Wenn am Nachmittag, zwischen 16.00 h und 17.00 h MESZ keine Männchen mehr am Gewässer sind, kehrt das Weibchen zurück, um die Eiablage alleine und  in relativer Ruhe zu beenden. Die Eiablage erfolgt im Flug. Dabei wird mit der Legeklappe im 2-Sekundentakt die Wasseroberfläche berührt, wodurch die Eier abgestreift werden.

 

Bis vor einigen Jahren war Orthetrum coerulescens in West- und Mitteleuropa einschließlich der Britischen Inseln weit verbreitet. Sein Areal reicht in Richtung Osten über Südosteuropa, den mittleren Osten, über das Schwarze Meer und den Kaukasus bis nach Nordindien. In Richtung Norden werden das Baltikum und Teile Finnlands besiedelt. Im Süden findet man den Kleinen Blaupfeil auf Sardinien und Sizilien einschließlich der italienischen Halbinsel. Er fliegt in Südfrankreich und im Süden Spaniens.

 

In unseren heimischen Gefilden ist Orthetrum coerulescens nur noch an wenigen Habitaten als bodenständig zu betrachten. Diese Tatsache liegt darin begründet, dass der Art nur noch sehr wenige optimale Lebensräume erhalten geblieben sind. Aus diesem Grund wird der Kleine Blaupfeil in der Roten Liste für bedrohte Tierarten in der Stufe 2 = „Stark gefährdet“ geführt.

 

Die Ende Mai bis Mitte Juni beginnende Flugzeit endet bereits nach 6 bis 10 Wochen.

 

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