Zur Nomenklatur: „Orthetrum“ kommt von „orthos“ (gr.) = gerade und êtron (gr.) = Unterleib. Vermutlich wird hier beim Genus „Orthetrum“ auf die parallelen Hinterleibsseiten verwiesen. „cancellatum“ (lat.) = gegittert. Nach der der gitterartigen Zeichnungen der Abdomen der Weibchen und der junger Männchen. Der deutsche Artname bezieht sich darauf, dass der Große Blaupfeil die größte Art der Gattung ist.
Orthetrum cancellatum ist die größte Art unter den Segellibellen, Libellulidae. Die Körperlänge beträgt bis zu 5,0 Zentimetern und die Flügel können eine Spannweite von bis zu 8,5 Zentimetern erreichen. Ihr Gewicht beträgt im Mittel 0,375 Gramm (Rüppell, 1989). Beide Geschlechter sind unmittelbar nach der Imaginalhäutung noch gleich gefärbt und erscheinen blassen grünlich gelben Farbton. Während ihrer Reifezeit von 10 bis 21 Tagen färben sich die Weibchen kräftig gelb, wobei ein Muster schwarzer Streifen das Abdomen längs und quer überzieht. Das Abdomen der Männchen überzieht sich während der gleichen Zeit mit einer blauen Wachsbereifung. Lediglich die Abdomenspitze färbt sich schwarz. Der Thorax ist im ausgefärbten Zustand dunkelbraun und die Augen sind grün. Im Gegensatz zu den nahen Verwandten, ebenfalls sich blau färbenden Arten der Gattung Libellula, wie zum Beispiel der Plattbauch, Libellula depressa, oder der Spitzenfleck, Libellula fulva, die beide an den Hinterflügeln dunkle Basalflecken aufweisen, sind die Flügel des Großen Blaupfeils durchgängig klar. Die Flügelmale (Pterostigmata) sind schwarz.
Die Emergenz eines Großen Blaupfeils dauert bei mittleren Temperaturen von um die 20°C etwas länger als 3 Stunden. In der Regel schlüpfen die meisten Tiere am frühen Morgen, sodass der Schlupfvorgang bis zum späten Vormittag abgeschlossen werden kann. Bei schlechter Witterung dauert die Prozedur mindestens eine gute Stunde länger, sodass der Jungfernflug erst am darauffolgenden Tag stattfinden kann. Junge Imagines fliegen nach Art der Edellibellen, Aeshnidae, steil und hoch in die Luft und in Baumkronen, die bis zu 100 Meter vom Schlupfort entfernt liegen. Bei diesen noch „wackeligen“, langsamen und ungeschickten Jungfernflügen werden sie deshalb nicht selten Opfer von Schwalben und ähnlich schnellen Vögeln. Erreichen sie die schützenden Blätter der Baumkronen, halten sie sich dort noch einige Stunden auf, bis die Chitinhülle ihrer Körper vollends ausgehärtet ist. Danach fliegen die jungen Libellen bis zu mehrere Kilometer im Umfeld des angestammten Biotops umher um zu reifen und zu jagen.
Hier nun einige Szenen von der Emergenz des Großen Blaupfeils.
Orthetrum cancellatum ist, teilweise in hoher Abbundanz, an sandigen, steinigen bis kiesigen Ufern verschieden großer Stillgewässer zu finden, die auch Stellenweise partielle Schilfgürtel oder andere Ufervegetation vorweisen können. Ist ein solches Gewässer rundum zugewachsen, so kann man nach natürlichen „Störstellen“, verursacht durch Trittschäden von Wild oder Weidevieh - sofern es Zugang zum Gewässer hat - schauen, wo diese das Gewässer als Tränke aufsuchen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird man dort auf die Art stoßen. Gleiches gilt für Suhlen von Großwild oder durch Menschen, zum Beispiel Angler oder Schwimmer, verursachte Eingriffe. Der Große Blaupfeil kann somit als Indikator für gestörte Ufervegetation angesehen werden.
Das einzelne Foto und die folgende Bildtafel zeigen einige Männchen des Großen Blaupfeils in verschiedenen Altersstufen.
Im direkten Vergleich zu den Männchen sind hier die Weibchen in verschiedenen Altersstufen abgebildet:
Bedingt durch seine Größe ist Orthetrum cancellatum in seinem Lebensraum ein gefürchteter Jäger, der auch vor relativ großer Beute nicht zurückschreckt. Nicht selten erbeutet er andere Libellenarten, die nur unwesentlich kleiner sind als er selbst. Schmetterlinge zählen genauso zu seinem Beutespektrum wie Fliegen, Schnaken oder Stechmücken. Hin und wieder wird er in unvorsichtigen Momenten selbst zur Beute von Edellibellen, wie die Bildtafel unten zeigt:
Nach Erreichen der Geschlechtsreife kehren zuerst die Männchen ans Wasser zurück, um dort Reviere zu bilden, die sie gegen Artgenossen und artfremde Libellen verteidigen. Als ausgesprochene Ansitzjäger wählen sie hierfür eine Sitzwarte aus von der sie alles überblicken können. Fliegt eine andere Segellibelle in sein Revier ein, startet das Blaupfeil-Männchen von seinem Ausguck aus, um es in einem kurzen Revierkampf sofort zu vertreiben. Anfliegende Weibchen werden nach derselben Methode angeflogen und sofort zur Paarung ergriffen. Die eigentliche Paarung dauert zwischen 15 Minuten und etwa einer Stunde. Sie wird in den meisten Fällen horizontal auf dem Boden oder in einem leichten Winkel an niederen Strukturen sitzend vollzogen. Das Pärchen sitzt dabei regungslos und ist nur sehr schwer zu erkennen. Darüber hinaus sind die Tiere recht scheu und haben eine Fluchtdistanz von etwa 2 bis 3 Metern, was eine Dokumentation erschwert.
Nach der Paarung fliegt das Weibchen entweder weit landeinwärts, um später ungestört und in Abwesenheit der Männchen seine Eier abzulegen, oder es beginnt unmittelbar nach der Kopulation mit der Eiablage. Dabei wird es vom Männchen, zumindest kurzzeitig im Flug bewacht. Die Eiablage erfolgt durch mehrmaliges Eintauchen des Abdomens in das Wasser, wobei das Weibchen vor dem Wasserkontakt Geschwindigkeit aufnimmt und die Wasseroberfläche in hohem Flugtempo durchstößt. Höchstwahrscheinlich soll so der Angriff etwaiger Prädatoren wie von Fröschen oder Fischen minimiert werden.
Über die Entwicklung der Larven werden von Seiten der Wissenschaft noch viele Fragen zu beantworten sein. Nachdem schon einige Erkenntnisse über das larvale Leben der Art vorliegen, vermutet man während des Lebens im Wasser bis zur Häutung zur Imago eine mehr als 13 Stadien umfassende Entwicklung, die 2 bis 3 Jahre dauern kann. Orthetrum cancellatum gehört zu den weitverbreiteten, häufigen Arten die recht anspruchslos an ihre Lebensräume sind und gilt daher als in seinem Bestand ungefährdet. Das hängt auch damit zusammen, dass er in hohem Maße von der Neuanlage künstlicher Gewässer profitiert.
Für den Schutz der Tiere, die den ganzen Sommer über fliegen, sind derzeit keine besonderen Maßnahmen notwendig. Vom Gesetz her, steht er jedoch - wie alle Libellen – unter Naturschutz. (§ 20e ff. BNatSchG, § 1 BArtSchV).