Libelle des Jahres 2015
Hinweise zur wissenschaftlichen Nomenklatur: „Sympetrum“ ist eine Wortkombination, zusammengesetzt aus „sym-piezein“ (gr.) = „zusammen-gedrückt“ und „êtron“ (gr.) = Unterleib. Vermutlich wegen dem seitlich zusammengedrückten Abdomen. “flaveolum“ ist die Verkleinerungsform von „flavus“ (lat.) = etwas gelb, gelblich. Nach den auffälligen und großen gelb bzw. rötlichen Basisflecken auf den Hinterflügeln der Imagines. Der deutsche Artname nimmt ebenfalls hierauf Bezug.
Sympetrum flaveolum ist eine mittelgroße Segellibelle, die eine Köperlänge von 4,0 Zentimetern und eine Flügelspannweite von bis zu 6,0 Zentimetern aufweist. Die Beine der Art sind schwarz und mittig mit einem dünnen, gelben Längsstreifen versehen. Die Hinterflügel zeigen bei beiden Geschlechtern einen deutlich sichtbaren Basalfleck von anfangs gelber, später rötlicher Färbung. Die Augen der adulten Tiere sind zweifarbig; oben rötlich und in der unteren Hälfte braun-beige. Die juvenilen Imagines sind leuchtend gelb gefärbt. Bis zur Geschlechtsreife wechselt die Färbung der Männchen zu einem dunklen und kräftigen Rot mit sich zum Hinterleibsende verdickenden schwarzen Seitenlinien. Auf den Abdominalsegmenten S-8 und S-9 befinden sich schwarze Flecken. Die Flügelmale (Pterostigmata) sind bei frisch geschlüpften Tieren weiß und bei ausgefärbten Exemplaren rotbraun.
Die Weibchen färben zu einer Art Khaki, was ihnen zu Tarnzwecken hervorragende Dienste leistet. Die Gefleckte Heidelibelle kann auf den ersten Blick leicht mit der Frühen Heidelibelle, Sympetrum fonscolombii, verwechselt werden. Diese weist ebenfalls, jedoch wesentlich kleinere Basisflecken an den Flügeln auf. Die untere Augenhälfte ist bei dieser Art jedoch hellblau und die Flügelmale sind gelblich und schwarz umrahmt.
Die Bilder unten zeigen ganz junge Männchen der Gefleckten Heidelibelle.
Sympetrum flaveolum stellt in der Wahl ihrer Habitate, die ausschließlich den Charakter eines Stillgewässers haben müssen, hohe Ansprüche. Dabei zeigt die Art eine gewisse Vorliebe für Sumpfgebiete und Übergangsmoorschlenken mit geringen oder gar keinen offenen Wasserflächen. Verlandungszonen von Weihern und Teichen werden besiedelt, sofern sie keiner starken Wasserschwankung unterliegen, flach auslaufende Ufer vorweisen und über eine niedere, rasige von Moosen bedeckte Fläche von mittlerer bis hoher Deckung verfügen. (Siehe Bildfolge unten:)
Die Gefleckte Heidelibelle beginnt ihre Emergenzperiode ab Mitte Juni. Die letzten Imagines schlüpfen je nach Witterung und Lage des Habitats Ende August. Die Populationen der Art sind zumeist recht klein. Nur ganz selten kann es in starken Jahren zu einem Massenschlupf kommen, wobei die Imaginalhäutungen wenig synchron verlaufen.
Nach dem Schlüpfen halten sich die Jungtiere nicht sehr weit von ihren angestammten Gewässern auf. Ihre Reifezeit verbringen sie über Brachwiesen, Weiden und an Waldrändern jagend, die meist nicht mehr als 150 Meter vom Schlupfort entfernt liegen. Nach Erreichen der Geschlechtsreife kommt es in unmittelbarer Nähe der Gewässer zu Paarungsaktivitäten, die im Großen und Ganzen denen anderer Heidelibellenarten gleichen. Nach der Paarung, die etwa 10 bis 15 Minuten dauert, werfen die Weibchen, die in Tandemformation an das Männchen angekoppelt sind, ihre Eier jedoch nicht über einer Wasseroberfläche, sondern über benachbarten Flächen in der Nähe der Gewässer ab. Wenn das Gelände im kommenden Frühjahr wieder überflutet wird, schlüpfen die Larven. Unterbleibt eine Überflutung, so halten sich die Eier weiterhin lebensfähig. Bei guten Wasserständen schlüpfen so weitaus mehr Tiere als im Normalfall.
Die folgende Bildtafel zeigt einige Weibchen der Gefleckten Heidelibelle. Beachte hierbei die Färbung der Imagines und den damit verbundenen, hervorragenden Tarneffekt.
Dies ist wahrscheinlich die Voraussetzung für gelegentlich beobachtete Wanderungen von größeren Beständen über weite Distanzen. Durch diese Wanderungen ist anzunehmen, dass potentielle Habitate von der Art auch "auf gut Glück“ mit Eiern belegt werden. Die Gefleckte Heidelibelle ist sehr gut in der Lage, Habitate neu zu besiedeln. Eine Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch ein ständiger Individuennachschub aus langfristig beständigen, großen Spenderpopulationen.
Die Bildtafel unten zeigt erwachsene und somit ausgefärbte Männchen der Gefleckten Heidelibelle:
Besonderheiten: Erwachsene Männchen ändern bei kühlen Temperaturen ihre Körperfarbe von ihrem kräftigen Dunkelrot zu einem bräunlichen Farbton, was bedeutet, dass sie ihre Körpertemperatur regulieren können. Nach einer kühlen Nacht kann Sympetrum flaveolum die Aufwärmzeit durch selbst erzeugte Wärme verkürzen, die bei der Vibration der Flügel entsteht. Die verdüsterte Körperfarbe wirkt hierbei unterstützend.
Die Autoren können Sympetrum flaveolum in den letzten Jahren, seit 2009, aus eigener Erfahrung als eine unstete Wanderlibellenart charakterisieren: An einigen Gewässern wanderten die jungen Imagines nach wenigen Lebenstagen im Juni vollständig ab. Im Osten Deutschlands, in Thüringen, konnte die Art im gleichen Jahr in einer kleinen Population von adulten Tieren im Oktober auf Wiesen die von einem Bach durchschnitten wurden (!) nachgewiesen werden. In den folgenden Jahren erfolgte trotz intensiver Suche kein Nachweis der Art. Einträge in Fachforen vieler Odonatologen bestätigten ihrerseits keinen einzigen Fund der Gefleckten Heidelibelle auf Bundesebene. Erst im Spätsommer 2013 gelang in einem Moorgebiet an den Grenzen von NRW, Niedersachsen und den Niederlanden wieder eine Dokumentation einer sehr kleinen Population der Art.
Die Gefleckte Heidelibelle wird in der Roten Liste der bedrohten Tierarten in der höchsten Stufe = 1 = „Vom Aussterben bedroht“ geführt. Die wichtigste Voraussetzung für die Erhaltung der noch verbliebenen Vorkommen dieser sehr selten gewordenen Art ist der Fortbestand der Wasserdynamik der Entwicklungsgewässer mit frühjährlicher oder frühsommerlicher Überflutung größerer Verlandungbereiche, die Im Hochsommer wieder trocken fallen. Sämtliche Eingriffe in den Wasserhaushalt, wie Grundwasserabsenkungen, Drainage oder Grabenentwässerung sollten unter allen Umständen vermieden werden.
Sympetrum flaveolum fliegt ab Mitte Juni. Das Aktivitätsmaximum der Art liegt eindeutig im August. Ist der Herbst von milder Witterung können sogar Anfang November noch vereinzelte Tiere in ihren anspruchsvollen Lebensräumen beobachtet werden.