Zur Nomenklatur. Der wissenschaftliche Name setzt sich aus „kordyle“ (gr.) = Keule und „gaster“ (gr.) = Bauch zusammen, was auf die keulig verdickten Abdomen der Männchen hinweist. „boltonii“ = zu Ehren des britischen Entomologen James Bolton, der die Art 1796 in Yorkshire entdeckt hat. Der deutsche Artname der Quelljungfern bezieht sich auf die bevorzugte Besiedelung von Quellgewässern.
Die Zweigestreifte Quelljungfer ist eine sehr große Libelle. Mit einer Körperlänge von bis zu neun Zentimetern und einer Flügelspannweite von annähernd elf Zentimetern werden selbst die Ausmaße der großen Edellibellen erreicht. Die grünen Augen der erwachsenen Imagines berühren sich nur an einem Punkt. Der Thorax (Brustabschnitt) ist von der Grundfarbe her schwarz und weist leuchtend gelbe Antehumeralstreifen und Seitenbinden auf. Das ebenfalls schwarze Abdomen (Hinterleib) besitzt in der Mitte leicht unterbrochene gelbe Querstreifen, die derart platziert sind, dass sich jeweils ein breiter Querstreifen in der Mitte des Segmentes und ein schmälerer Streifen am hinteren Ende des jeweiligen Segmentes befinden. Das Abdomen der Männchen ist im hinteren Drittel deutlich keulig verdickt. Die Vorder- und Hinterflügel sind entlang der Vorderkanten hellgelb gefärbt. Die Farben der Geschlechter sind gleich, sie zeigen also keinen Sexualdimorphismus.
Ein wichtiges Erkennungsmerkmal der zweigestreiften Quelljungfer, Cordulegaster boltonii, ist das hinten zwischen den Augen befindliche „Hinterhauptdreieck“. Es ist bei der hier vorgestellten Art gelb. Eine Verwechslungsgefahr besteht mit der zweiten Art von Quelljungfern, der Gestreiften Quelljungfer, Cordulegaster bidentata, die in Deutschland vorkommt. Bei dieser Art ist das Hinterhauptdreieck schwarz. Die Weibchen verfügen am Ende des Abdomens über einen überaus stark entwickelten Legebohrer, der auf Abnutzung eingerichtet ist. Mit diesem pflügen sie in senkrechter Haltung während des Fluges ihre Eier regelrecht in die Sedimente und Bodensubstrate kleiner Quellen, Rinnsale oder von Bächen.
Cordulegaster boltonii ist eine reine Fließgewässerart, die sich sowohl an Quellen und Bächen innerhalb von geschlossenen Waldgebieten als auch in solchen auf freien Flächen entwickelt. Dabei werden sonnige Tieflandbäche mit feinen Sandstrukturen eher bevorzugt als Bergbäche mit meist erhöhter Fließgeschwindigkeit. Ein wichtiger Aspekt zur Besiedlung derartiger Gewässer ist eine sehr hohe Wasserqualität. Wie der Name „Quelljungfer“ schon andeutet, werden auch winzige Rinnsale, die auf den ersten Blick kaum als Quellen oder Bäche erkannt werden als Lebensraum angenommen. Breite Fließgewässer werden bis auf wenige Ausnahmen, eine davon ist das Flüsschen „Örtze“ in Niedersachsen, weitestgehend gemieden. Nach Beobachtungen der Autoren, resultierend aus den letzten Jahren, werden sogar Drainagegräben, die als Zu- bzw. Ablauf von Fischteichen dienen als Habitat besiedelt, sofern die Wasserqualität ihren Anforderungen genügt.
Die Bildreihe unten zeigt zwei schlupfbereite, ca. 5 Zentimeter große Larven der Zweigestreiften Quelljungfer, Cordulegaster boltonii.
Zwei Individuen beim Schlupf, der vom Aufplatzen der Larvenhaut bis zum Jungfernflug etwa 4 Stunden dauert. Links ein Weibchen, im Bild rechts ein Männchen.
Die Exuvie der Zweigestreiften Quelljungfer ist von beeindruckender Gestalt und nahezu 50 Millimeter lang. Sie weist an den Segmenten S-8 und S-9 kleine Seitendornen auf. Die Fangmaske ist vorne unregelmäßige, sägezahnartig ausgebildet. Mit diesen Beißwerkzeugen kann die Larve die Panzer von Bachflohkrebsen, Ihrer Hauptnahrung, problemlos knacken.
Die Imaginalhäutung (der Schlupf) erfolgt in der Regel in den frühen Morgenstunden unmittelbar an den Ufern der besiedelten Gewässer. Die ersten Imagines beginnen während der ersten Junihälfte zu schlüpfen. Der Schlupfvorgang dieser sehr großen Art kann selbst bei optimalen Witterungsbedingungen über vier Stunden andauern. Danach fliegen die Tiere sonnige Stellen in der näheren Umgebung an, um in den nächsten Stunden vollkommen auszuhärten. Während ihrer Reifezeit jagen sie abseits von jedem Gewässer mit sehr hoher Geschwindigkeit auf gut besonnten und Kleininsektenreichen Streu- und Wildwiesen und Waldlichtungen. Oft kann man sie auch auf breiten Waldwegen beobachten. Im Allgemeinen gestaltet sich die Beobachtung der übergroßen Libellen als sehr schwierig, da sie aufgrund ihrer Körperzeichnung gut getarnt und daher schon im Flug schwer auszumachen sind.
Zwei Weibchen der Gestreiften Quelljungfer, Cordulegaster boltonii. Die Aufnahme links zeigt ein Jungtier nach absolviertem Jungfernflug. Rechts ist ein erwachsenes Weibchen nach der Eiablage zu sehen.
Nach dem erlangen der Geschlechtsreife kehren die Männchen an die Gewässer zurück, wo sie in niedrigem und langsamen Suchflug über dem Wasser patrouillieren und nach Weibchen Ausschau halten. Die Zweigestreiften Quelljungfern sind keine sehr ausdauernden Flieger. Suchflüge von wenigen Minuten Dauer werden oft durch langausgedehnte Pausen unterbrochen, die die Männchen sitzend in der unmittelbaren Ufervegetation verbringen. Die schwarz-gelbe Zeichnung beweist hierbei wieder einmal mehr ihren optimalen Tarneffekt, da die großen Libellen sich regungslos verhalten und so regelrecht mit der Umgebung verschmelzen. Nach solchen Pausen werden die Suchflüge wieder aufgenommen und führen über weit auslaufende Strecken im Zickzackmuster über das Wasser. Ein festes Revier oder Territorium haben sie nicht. Begegnen sich zwei oder mehrere Männchen, steigen diese steil und schnell nach oben auf. Dieses Verhalten verfolgt den Zweck, den oder die Rivalen in waghalsigen Flugmanövern im freien Luftraum ohne Hindernisse zu vertreiben.
Die Weibchen kommen lediglich zur Paarung und zur Eiablage an die Gewässer. Wird eines entdeckt, wird dieses vom Männchen sofort ergriffen, wobei das Paar eine Tandemformation bildet. Die anschließende Paarung findet als sogenanntes „Paarungsrad“ sitzend in der nahen Vegetation statt. Nach der Paarung fliegt das Weibchen alleine zur Eiablage ans Gewässer um dort nach dem „Nähmaschinenprinzip“ in senkrechter Flughaltung und einem Takt von etwa 2 Sekunden seine Eier in das Bodensediment einzustechen. Da der Boden oft sehr hart ist, nutzt sich der Eiablageapparat der Weibchen hierbei stark ab. Die Flugzeit von Cordulegaster boltonii läuft Ende September/Anfang Oktober aus. Die Hauptabundanz der Art liegt in den Monaten Juli und August. Die Tiere erreichen ein Alter von ca. 80 Tagen. Bemerkenswert ist die ungewöhnlich lange Entwicklungszeit der Larven. Da sich diese in der Regel in nahrungsarmen Kleinstgewässern entwickeln müssen, beträgt die Zeit vom Schlupf aus dem Ei bis zu Häutung zur Libelle fünf bis sieben Jahre.
Alleine durch ihre Größe hat Cordulegaster boltonii ein recht breites Nahrungsspektrum vorzuweisen. Die Art erbeutet eigentlich alles, dessen sie habhaft werden kann. Neben den typischen Beutetieren wie Fliegen, Mücken und Schnaken die in großen Mengen erbeutet und verzehrt werden, stehen große Tagfalter sowie andere Groß- und Kleinlibellen auf dem Speiseplan. Als Besonderheit ist hier zu erwähnen, dass auch wehrhafte Insekten wie Wespen und Honigbienen erbeutet werden können, ohne dass die Libelle dabei Schaden nimmt.
Die Larven leben fast regungslos eingegraben im Bodensubstrat von flachen Gewässern und ernähren sich mühselig von Kleinorganismen aller Art, die Ihnen vor die mächtige Fangmaske geraten. Trotz dieser geduldigen Jagdmethode, worauf auch die lange Entwicklungszeit zurückzuführen ist, erreichen sie eine imposante Größe und sind im letzten Stadium durch ihre starken Beißwerkzeuge von erschreckender Gestalt.
Das Areal von Cordulegaster boltonii erstreckt sich vom westlichen Mittelmeer, der iberischen Halbinsel, Südfrankreich, Westitalien, Nordafrika und Großbritannien nordwärts weiter über Mittelskandinavien bis nach Russland.
In Deutschland ist die Zweigestreifte Quelljungfer von der norddeutschen Tiefebene bis in die Alpen verbreitet. Einen Häufigkeitsschwerpunkt besitzt sie an den Gewässerreichen Rändern der Mittelgebirge. In Ostdeutschland kommt sie an Bächen entlang von Endmoränen aus der letzten Eiszeit und in Urstromtälern vor. Die Art tauchte erst 1922 in Deutschland auf und hat sich seither etabliert. Die Art ist in der Roten Liste für bedrohte Tierarten je nach Region als „Gefährdet“ oder „stark gefährdet“ eingestuft und per Gesetz besonders geschützt. Diese Einstufung stützt sich auf den regionalen Rückgang in Frage kommender Habitate.