Libelle des Jahres 2023
Der wissenschaftliche Name der Art setzt sich aus „soma“ (gr.) = Körper und „chloros“ (gr.) = grün zusammen. „alpestris“ bedeutet sinngemäß „zu den Alpen gehörend“. Der deutsche Artname bezieht sich auf das Vorkommen der Tiere im Hochgebirge.
Somatochlora alpestris ist eine mittelgroße Falkenlibelle. Sie erreicht eine Körperlänge von bis zu 50 Millimetern und eine Flügelspannweite von 60 bis 70 Millimetern.
Wie bei allen Arten der Gattung Somatochlora sind die Augen der adulten Tiere leuchtend grün. An der dunklen Stirn befindet sich seitlich jeweils ein kleiner gelber Fleck. Die Körper der erwachsenen Tiere wirken düster und matt-schwarz glänzend. Bei den Männchen ist das Abdomen am 2. Hinterleib tailliert. Weiter abwärts verdickt es sich deutlich, während des ab dem 8. Segment wieder schlanker wird. Die oberen Hinterleibsanhänge sind zweifach in sich nach innen geknickt und berühren sich an ihren Enden. An den Hinterrändern des zweiten und dritten Abdominalsegmentes ist je ein weißer Ring erkennbar, der ebenfalls als deutliches Bestimmungsmerkmal herangezogen werden kann.
Diese Ringe sind bei den Weibchen noch deutlicher ausgeprägt. Ferner verfügen die Weibchen über einen kräftig wirkenden Hinterleib, der nicht tailliert und keulig verdickt ist, sondern zylindrisch, nach hinten leicht schmäler werdend, erscheint. Der Thorax beider Geschlechter ist stark behaart.
Die ersten Jungtiere einer neuen Generation erscheinen nach ihrer Imaginalhäutung etwa Mitte Juni an ihren Entwicklungsgewässern, in welchen sie als Larven 3 Jahre für ihre Entwicklung benötigten. Dieses Ursprungshabitat verlassen die jungen Imagines recht bald, um Ihre Reifezeit in der weiteren Umgebung zwischen lichten Wäldern, auf offenen, hoch gelegenen Heideflächen und über besonnten Almwiesen zu jagen. Nach etwa drei Wochen kehren dann zunächst die Männchen an ihre Urprungsgewässer zurück. Dort fliegen sie in niedriger Höhe von etwa 0,5 Metern unruhig über kleine und kleinste Moorschlenken sowie etwas größere Bergseen, wobei die Aufenthaltsorte kurzfristig wechseln können. An den feuchten Stellen über meist sehr niederer aber dichter Vegetation suchen sie intensiv nach Weibchen und versuchen artgleiche wie artfremde Männchen mit kurzen Angriffen zu vertreiben.
Eigenen Beobachtungen zufolge erscheinen die ersten Weibchen am frühen Vormittag noch vor den Männchen an den Moorschlenken, um in einem unruhig wirkenden und extrem niedrigen Flug durch dichte Gräser hindurch ihre Eier abzulegen. Dabei verraten sie ihre Anwesenheit durch deutliches Flügelrascheln, was durch Berührungen der Flügel mit der Vegetation ausgelöst wird.
Offensichtlich hat die Paarung am Nachmittag des Vortages stattgefunden, da Kopulationen am Nachmittag häufig beobachtet werden konnten. Bei der Prozedur der Eiablage, die mehrere Minuten andauern kann, berührt das Weibchen mit seiner geöffneten Legescheide in unterschiedlichen Zeitabständen von einigen Sekunden mehrfach die Wasseroberfläche der meist sehr flachen Tümpel, wobei die Eier abgestreift werden.
Weibchen, die erst im weiteren Verlauf des Tages zur Eiablage am Wasser auftauchen, werden häufig von den dort wartenden Männchen zu einer erneuten Paarung ergriffen.
Das Ergreifen der Weibchen wirkt nicht selten sehr rabiat. Es konnte beobachtet werden, dass beide Geschlechter bei einem Versuch seitens des Männchens dem Weibchen habhaft zu werden, in eine Moorschlenke stürzten und sich beide Tiere anschließend im Morast wälzten. Schließlich gelang es dem Männchen sich und seine Partnerin dort heraus zu manövrieren. Alsbald bildete sich in der Luft ein Paarungsrad, das mit sehr hoher Geschwindigkeit bis zu einigen Hundert Metern davon flog, um die eigentliche Paarung während der nächsten beiden Stunden, irgendwo in niedriger Vegetation sitzend, zu beenden.
Am späten Nachmittag lässt die Aktivität der Tiere am Wasser merklich nach. Sie suchen zu dieser Tageszeit noch von der Sonne beschienene Plätze auf, um noch ein wenig Restwärme aufzunehmen. Werden diese Ruheplätze beschattet, ziehen sich die Imagines an ihre Schlafplätze zurück.
Die Alpen-Smaragdlibelle entwickelt sich erst in Höhenlagen ab 600 Metern ü. NN. Ihre höchstgelegenen Lebensräume befinden sich auf ca. 2.500 bis 2.600 Metern Meereshöhe. Dabei ist ihr Habitatspektrum auf die Besiedelung von kleinsten Moortümpeln bis zu Bergseen von mittlerer Größe ausgelegt, wo deren reich mit niederer Vegetation bewachsenen Verlandungszonen ein Refugium für die Larven darstellen. Es werden auch Quellwassertümpel, langsam fließende Rinnsale und nicht mehr genutzte, nasse Torfstiche in entsprechend hohen Lagen toleriert.
In süddeutschen und den benachbarten österreichischen Alpenregionen kommt Somatochlora alpestris hauptsächlich in Gebieten vor, die im Sommer von der Landwirtschaft in Form von Weidegründen für Milchvieh genutzt werden. Tritt- und Fraßschäden, gepaart mit einer Überdüngung der sensiblen Moorflächen durch tierische Exkremente, die in großen Mengen von den grasenden Kühen hinterlassen werden, tragen in nicht unerheblichen Maße zur Zerstörung der Lebensräume der Alpen-Smaragdlibelle bei.
Im Winter verwandeln sich die gleichen Areale hauptsächlich zu intensiv genutzten Schigebieten, welche dauerhafte und extrem nachteilige Veränderungen in der Natur mit sich bringen. Mit dem Errichten von weitläufigen Schiliftnetzen bis hin zu großflächigen Gebäuden, die ganzjährig ausschließlich gastronomischen Zwecken dienen und in denen durchweg Speisen und Getränke zu weit überhöhten Preisen angeboten werden - eine 0,5 Liter-Flasche Mineralwasser wird zum Preis von € 4,70 (!) angeboten und tatsächlich gekauft - wird der Tourismus gefördert, werden große Moorflächen trocken gelegt und damit dringend benötigte Lebensräume einer ohnehin schon extrem seltenen Tierart systematisch beseitigt.
Trotz der nicht unerheblichen Geldeinnahmequelle „Tourismus“, besonders im Winter, sollte den Verantwortlichen in den hierfür zuständigen Behörden klar sein, dass es in ihrem Verwaltungsbereich Organismen gibt, die es unter allen Umständen zu schützen und zu bewahren gilt. Kleinflächige, extensiv oder besser noch ungenutzte Bereiche sollten geschaffen und trockene Moorflächen wieder vernäßt werden.
Die Flugzeit der Alpen-Smaragdlibelle, Somatochlora alpestris, beginnt etwa Mitte Juni und endet Mitte September. Frühzeitiger Schneefall kann eine Gesamtpopulation von heute auf morgen vernichten. Das jedoch sind natürliche Umstände, der die Art durch eine Strategie der Risikostreuung entgegenwirkt, indem kommende Generationen teilweise als Larve oder im Ei überwintern, wodurch sich in den entsprechenden Gebieten ein Vorkommen bzw. eine Population erhalten kann.
Die Tatsache, dass Somatochlora alpestris in der Roten Liste für bedrohte Tierarten in der höchsten Stufe 1 als „Vom Aussterben bedroht“ geführt wird, hat sie dem modernen und profitsüchtigen Homo sapiens zu verdanken. Und wenn sich an dieser Situation nicht bald etwas Grundlegendes ändert, können unsere Kinder diese Spezies zu ihrem eigenen Leidwesen nur noch auf Bildern betrachten. Wir sind bestrebt etwas dagegen zu tun, ehe es soweit kommt!