Zur wissenschaftlichen Nomenklatur: „Anax“ (gr.) = Herrscher; wegen der majestätischen Erscheinung der Edellibelle. Der Naturforscher Edmond de Selys- Longchamps entdeckte in der Nähe von Neapel, am Lago di Averno eine für die damalige Zeit neue Libelle und gab ihr den Namen „Parthenope“, nach der Schutzgöttin dieser italienischen Stadt. So geschehen, am 10. Mai 1838.
In der griechischen Mythologie war Parthenope die Tochter des Flussgottes Acheloos und eine der Sirenen, die eine Insel im Mittelmeer bewohnten.
Odysseus kam auf seiner Irrfahrt nach Ithaka an der Insel vorbei und wollte den gleichermaßen verlockenden wie todbringendem Gesang der Sirenen hören. Um den Gefahren zu widerstehen, ließ er sich von seinen Gefährten an den Schiffsmast binden. Zuvor verstopfte er allen seinen Seemännern die Ohren mit Wachs, damit diese die Sirenen nicht hörten und auch seine eventuellen Befehle missachteten, wollte er aufgrund deren Gesangs die gefährliche Insel mit ihren vorgelagerten Riffen ansteuern.
Parthenope stürzte sich später wegen Liebeskummers von den Felsen ins Meer und wurde tot an Land geschwemmt. Dort wo man sie fand, entstand das heutige Neapel, eine italienische Metropole, in der Parthenope bis heute noch verehrt wird.
Der deutsche Artname bezieht sich auf die unwesentlich geringere Größe zu der Großen Königslibelle, Anax imperator.
Nachfolgend sind einige Sequenzen einer nächtlichen Emergenz eines Weibchens der Kleinen Königslibelle zu sehen.
Die adulten und somit geschlechtsreife Imagines zählen zu den Dauerfliegern unter den Libellen.
Die Kleine Königslibelle zählt zur Familie der Edellibellen. Sie verfügt über eine leicht variable Körperlänge von 6,2 bis 7,5 Zentimetern. Ihre Flügelspannweite erreicht bis zu 11 Zentimetern. Mit diesen Dimensionen zählt die Art neben ihrer „Großen Schwester“ der Großen Königslibelle, Anax imperator, und den Quelljungfern (Gattung: Cordulegaster) zu den größten Libellen Mitteleuropas.
Auffällige Merkmale zur Bestimmung der Art sind bei beiden Geschlechtern die leuchtend grünen Augen im Kontrast zum bräunlich gefärbten Brustabschnitt (Thorax). Am Ansatz des Hinterleibs (Abdomen) befindet sich ein schmaler gelber Ring, der mit zunehmendem Alter nachdunkelt. Diesem folgt eine kurze, lediglich über die beiden ersten Hinterleibssegmente reichende blaue Zeichnung bei den Männchen. Das restliche Abdomen ist durchgehend dunkelbraun bis düster grau gefärbt.
Die Flügel sind in der Mitte oft olivfarben getönt, die Flügelmale sind dunkel und umfassen vier Flügelzellen. Bei den Hinterleibsanhängen (Cerci) ist der untere sehr kurz und daher kaum sichtbar.
Die Weibchen sind oft noch düsterer gefärbt als die Männchen. Der blaue Fleck an der Hinterleibsbasis ist kleiner und wirkt nach hinten verwaschen.
Verwechslungsgefahr besteht mit der Schabrackenlibelle, Anax ephippiger, da beide Arten an der Hinterleibsbasis blaue Flecken aufweisen. Die Augen der Schabrackenlibelle sind jedoch um einiges größer. Es kommen selten Männchen mit einem bläulich gefärbten Hinterleib vor, die denen der Großen Königslibelle ähnlich sehen.
Die Kleine Königslibelle ist vor der europäischen Atlantikküste bis zur asiatischen Pazifikküste verbreitet. Ihre westlichen Areale werden von den Kanarischen Inseln und Madeira begrenzt. In Richtung Süden reicht ihr Vorkommen bis zur arabischen Wüste und der zentralen Sahara. Die Art kommt in Indien, China, Korea und Japan vor. In den Mittelmeerländern und nördlich der Alpen ist sie stellenweise verbreitet. In den letzten Jahren wurden Fundmeldungen aus Großbritannien, Irland, den Niederlanden, Dänemark, Südschweden und Finnland gemeldet.
In Deutschland hat die Art ihren Verbreitungsschwerpunkt in den östlichen Bundesländern. In Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg fliegt Anax parthenope in verhältnismäßig hoher Abbundanz an geeigneten Habitaten. In Richtung Westen wird die Art zunehmend seltener. In Nordrhein-Westfalen gilt die Kleine Königslibelle als extrem selten, sie scheint sich jedoch, jüngsten Berichten zufolge, erfolgreich auszubreiten und zu etablieren.
Anax parthenope besiedelt in erster Linie Stillgewässer mit einer offenen Wasserfläche von mehreren Hektar Größe. Hierzu zählen natürliche Seen, große Kiesgrubengewässer, Naturschutzweiher und sogar Hafenbecken.
In Südfrankreich dienen auch überflutete Reisfelder, die sich durch ein reiches Nahrungsspektrum auszeichnen, als Reproduktionshabitat. Das Vorhandensein eines großen Nahrungsangebotes kann im Hinblick auf die Lebensweise der Larven zum Aufbau stabiler Populationen von ausschlaggebender Bedeutung sein.
Nach der Imaginalhäutung verbringen die jungen Imagines ihre Jugend- und Reifezeit weit abseits der Gewässer. Es kommt vor, dass sich mehrere Tiere an einem Ort versammeln, wo leicht zu erbeutende Fluginsekten reichlich verfügbar sind. Die großen Edellibellen jagen dann am Abend über Wiesen oder an Ufern von Baggerseen, wo Mücken in Anzahl schwärmen. Wird die Nahrung durch zu viele Jäger knapp, können sogar schwächere Jungtiere der eigenen Art Opfer von dominanten Tieren werden, sodass es zu Kannibalismus kommen kann.
Nach dem Erreichen der Geschlechtsreife kehren die nun ausgefärbten Libellen zu ihren Entwicklungsgewässern zurück. Hier unternehmen die Männchen ausgedehnte Patrouillenflüge, die sich über weite Uferstrecken und das angrenzende Land erstrecken. Artgleiche Männchen liefern sich bei Begegnungen harte Luftkämpfe, die mit sehr hohen Geschwindigkeiten erfolgen. Beim Zusammentreffen mit Männchen der Großen Königslibelle werden sie oft von diesen vehement vertrieben, was jedoch nur von kurzer Dauer ist.
Im Allgemeinen ist die Kleine Königslibelle - dort wo sie vorkommt - eine relativ leicht nachzuweisende, jedoch sehr schwer zu dokumentierende Art.
Tagesphänologisch betrachtet fliegt die Kleine Königslibelle bis in den Abend hinein Patrouille, während die Große Königslibelle bereits am Nachmittag gegen 15.00 h die Gewässer verlässt. Zu dieser Zeit setzen sich die Männchen von Anax parthenope etwas häufiger, aber dennoch sehr kurz in der Vegetation nieder. Annäherungsversuche mit der Kamera scheitern meist an der hohen Fluchtdistanz der recht scheuen Tiere, die bei etwa 4 bis 5 Metern liegt. Bei zum Beispiel von Verfolgungsjagden erschöpften Exemplaren kann es Ausnahmen geben.
Die Weibchen führen ein verstecktes Leben abseits der Gewässer, zumeist in dichter Vegetation. Sie kommen nur zu Paarungszwecken an die Ufer.
Wird ein Weibchen von einem Männchen ausfindig gemacht, wird es sofort ergriffen. Anschließend erfolgt die Paarung im für Libellen klassischen „Paarungsrad“. Dieses wird bereits im Flug gebildet. In den meisten Fällen wird die Paarung im Sitzen beendet, wobei hohe Baumwipfel die bevorzugten Orte hierfür darstellen. Das Pärchen bleibt etwa 20 bis 25 Minuten in dieser Position vereint. Danach geht es in Tandemformation zur Eiablage über. Neben der Südlichen Mosaikjungfer, Aeshna affinis, und der Schabrackenlibelle, Anax ephippiger, ist die Kleine Königslibelle die einzige Edellibellenart, die im Tandem zur Eiablage fliegt und diese so auch durchführt.
Das Weibchen sticht seine Eier hierzu in weiches Pflanzensubstrat ein, welches aus dem Wasser ragt oder in abgestorbenes Gewebe, das auf der Wasseroberfläche schwimmt. Während dieser Prozedur werden die eigentlichen Eiablageplätze mehrfach gewechselt. Ganz selten erfolgt eine Eiablage durch das Weibchen alleine. Diese werden dann von Männchen der eigenen Art oder von denen der Großen Königslibelle angegriffen.
Trotz ihrer imposanten Größe und Körperkraft geraten diese Edellibellen nicht selten in die Fallen diverser Prädatoren. Die stabilen Netze der Wespenspinne, Argiope bruennichi, oder die Fangarme einer Gottesanbeterin, Mantis religiosa, werden ihnen nicht selten zum Verhängnis.
In der aktuellen Roten Liste der gefährdeten Tierarten in Deutschland ist die Kleine Königslibelle derzeit als „Ungefährdet“ aufgeführt. Ihr inselartiges und daher große Lücken aufweisendes Vorkommen, der sukzessive Abbau ihrer geeigneten Lebensräume sowie die nach wie vor in unseren heimischen Gefilden in NRW extrem seltene Art sollte ein Anlass dazu sein, diesen Status zu aktualisieren.
Die Flugzeit von Anax parthenope beginnt bei günstigen Witterungsverhältnissen Anfang Juni und endet etwa Mitte September.